Deutscher Gewerkschaftsbund

09.09.2019
„Gute Arbeit in Spandau, aus Spandau, für Spandau“

Das war der Spandauer Gewerkschaftsmarkt 2019:

Bunt, politisch und mit überraschenden Ergebnissen

Mit einem neuen Konzept sollte der 36. Spandauer Gewerkschaftsmarkt am 7. September 2019 attraktiver werden. Mit neuen Partnern, u.a. Spandauer Betriebe und spannenden Themen ist vor allem eines gelungen: Auf dem Spandauer Gewerkschaftsmarkt wurden zwei neue Bündnisse initiiert und das Schwerpunktthema des DGB für den Herbst, Stärkung der Tarifbindung, erfolgreich an die Spandauer Bezirkspolitik herangetragen.

#Klimaschutz + #sozialegerechtigkeit, so lautete das Motto auf dem Banner, mit dem Berliner Gewerkschafter*innen, unterstützt durch die Trommelgruppe der GEW, ab 10.30h durch die Spandauer Altstadt zogen, um deutlich zu machen, „Heute ist in Spandau Gewerkschafts-Tag!“

Nach der Eröffnung und Begrüßung durch die Zweite Bevollmächtigte der Berliner IG Metall, Regina Katerndahl, und die Landesvorsitzende der Berliner GEW, Doreen Siebernik, erinnerte Isabel Neuenfeldt musikalisch an die Wurzeln des Spandauer Gewerkschaftsmarkts, den Anti-Kriegstag.

Anschließend gab es vier Talkrunden mit teilweise überraschend konkreten Ergebnissen:

 

  1. „Null-Tarif: Schulessen zum Hungerlohn?“ lautete der Titel des ersten Gesprächs zur Einführung des kostenlosen Schulessens, an dem der Bezirksbürgermeister und Schulstadtrat, Helmut Kleebank, der Vorsitzender des Bezirkselternausschusses, Thorsten Hardtje, sowie für die Gewerkschaften, Sebastian Riesner, Regionalleiter der NGG Berlin-Brandenburg und Sven Dudkowiak, Bezirksleiter der GEW-Spandau teilnahmen. Der Bürgermeister begründete die kurzfristige Einführung zum neuen Schuljahr mit dem neuen Doppelhaushalt, der eine schnelle Entscheidung nötig gemacht habe. Von den Schulleitungen habe er die Rückmeldung, dass der Start weitgehend gelungen sei. Dem widersprach Sven Dudkowiak von der GEW entschieden, es gäbe noch viele organisatorische Probleme, die zu erheblichen Mehrbelastungen für die Lehrkräfte führten. Die Schulen, die dringend auf neues Personal angewiesen seien, würden so bestimmt nicht attraktiver, im Gegenteil. Der Beifall aus dem Publikum unterstrich die Kritik deutlich. Der Forderung nach einem direkten Anschlussgespräch mit Kolleg*innen kam Herr Kleebank mit Verweis auf einen Anschlusstermin nicht nach, versicherte aber, das Gespräch schnellstmöglich nachzuholen.
    Auch der Kritik der NGG, dass kein einziges Schulcatering-Unternehmen tarifgebunden sei und die Arbeitgeber und ihr Verbandssprecher, ein Spandauer Unternehmer, sich trotz Aufforderung einem Gespräch über die Aufnahme von Tarifverhandlungen verweigerten, versprach der Bürgermeister nachzugehen. Auch zu diesem Thema wurde ein Gespräch vereinbart.
  2. GEW und EVG im Dialog mit FridaysforFutureBerlin: Im zweiten Talk ging es um die Zusammenarbeit zwischen Gewerkschaften und Fridays for Future, vor allem mit Blick auf den bevorstehenden globalen Klimastreik am 20. September, zu dem Fridays for Future aufgerufen hat. Fünf Mitgliedsgewerkschaften (ver.di, IG Metall, EVG, GEW und die IG BAU) haben inzwischen ihre Mitglieder aufgerufen, sich zu beteiligen (wenn auch nicht in Form eines Streiks). Für die GEW Berlin erklärte die Vorsitzende, Doreen Siebernik, dass es sich dabei nicht nur um eine abstrakte Solidaritätserklärung gehe. Die GEW fordert ihre Mitglieder auf, aktiv Möglichkeiten zu nutzen, damit Schüler*innen und Lehrer*innen gemeinsam am 20.09. auf die Straße gehen können. Zudem hat die GEW die Bildungssenatorin angeschrieben und gefordert, die Beteiligung zu tolerieren. Das große gesellschaftliche Engagement der jungen Leute sei aus GEW-Sicht nur zu begrüßen. Willy Schwope, Schüler und Vertreter von Fridays for Future Berlin, bedankte sich für die Unterstützung und machte deutlich, dass die aktuellen wissenschaftlichen Befunde die Dramatik des Klimawandels unterstreichen würden. Deshalb sei es frustrierend, dass immer noch viel zu wenig geschehe und daher auch der Appell von Fridays for Future an zahlreiche gesellschaftspolitischen Akteure, sich der Bewegung anzuschließen.
    Robert Seifert, Vorsitzender der EVG-Betriebsgruppe S-Bahn, betonte die hohe Übereinstimmung mit den Forderungen. Mit der Kampagne „Mehr Bahn für die Menschen“ trete die EVG sehr deutlich für eine Mobilitätswende im Sinne des Klimaschutzes ein. Allerdings droht ausgerechnet in Berlin ein Schritt in die falsche Richtung. Statt den Ausbau der S-Bahn endlich konkret anzugehen, würde die geplante Ausschreibung unter dem (neoliberalen) Motto „Mehr Wettbewerb“ zu einer Aufteilung des bisherigen Angebots aus einer Hand führen. Unnötige Investitionen in Doppelstrukturen und ein langjähriger Investitionsstopp in den Netzausbau seien die Folge. Die EVG fordert daher „Keine geteilte S-Bahn in einer vereinten Stadt!“, und würde sich ihrerseits Unterstützung durch Fridays for Future Berlin wünschen. Schwope erklärte spontan Unterstützung, weitere Gespräche zur Konkretisierung wurden zwischen EVG und Fridays for Futuren verabredet. Doreen Siebernik wies abschließend darauf hin, dass das EVG-Motto auch über die S-Bahn hinaus deutliche mache, dass es beim Klimawandel darum gehe, vereint und nicht getrennt oder gar gegeneinander zu agieren.
  3. Schulreinigung wieder in öffentliche Hand? Jens Korsten (IG BAU), Detlef Bading (ver.di) und Sven Dudkowiak (GEW) diskutierten mit Philipp Dehne von der Initiative „Schule in Not“ über die katastrophalen Zustände bei der Schulreinigung. „Schule in Not“ hatte deshalb  im Frühjahr in Neukölln ein Bürgerbegehren zur Rekommunalisierung der Schulreinigung auf den Weg gebracht. Dehne ergänzte, dass ganz aktuelle, wenige Tage vor dem Spandauer Gewerkschaftsmarkt in vier Bezirken Einwohneranträge gestartet worden seien. Der Kollege Korsten verwies auf die aktuellen Tarifverhandlungen, in denen sich die Arbeitgeber bisher hartnäckig weigern, die Arbeitsbedingungen der Reinigungskräfte zu verbessern. Alle drei Gewerkschaftsvertreter erklärten, dass ihre jeweilige Gewerkschaft das Anliegen und die Initiativen von „Schule in Not“  unterstützt und sich auch in Spandau für eine entsprechende Initiative aktiv einzusetzen. Die Zusammenarbeit mit „Schule in Not“ solle berlinweit intensiviert werden.
  4. „Über die Perspektiven der Spandauer Industriebetriebe diskutierten in der vierten Gesprächsrunde Regina Katerndahl, Zweite Bevollmächtigte der IG Metall Berlin, Thomas Wetzel, BR-Vorsitzender Osram Spandau, Bernd Wutzow stellvertretender BR-Vorsitzender Dr. Gerhard Mann chem.-pharm. Fabrik GmbH (Bausch&Lomb). Während Thomas Wetzel schilderte, wie Osram mit neuen Produkten, von denen einige auch am Spandauer-Gewerkschaftsstand-Stand des Osram-Betriebsrats zu sehen seien (u.a. Leuchtwesten und Leuchtschulranzen), immer wieder darum kämpfen müsse, den Standort und auch die Beschäftigten im Spandauer Betrieb zu halten, berichtete Bernd Wutzow von einer aktuell sehr positiven Entwicklung. Bausch&Lomb investiere viel und stelle auch viele neue Mitarbeiter*innen ein. Beide betonten die immense Bedeutung der betrieblichen Weiterbildung und begrüßten in diesem Zusammenhang die Möglichkeiten des neuen Qualifizierungschancengesetzes der Bundesregierung.

    Regina Katerndahl (IG Metall Berlin) bestätigte, wie schwierig es nach wie vor schwierig sei, Industriearbeitsplätze in Berlin zu sichern. Daran ändere auch erst einmal die Zusage für den Siemens-Campus nichts. Sie wünschte sich von der Berliner Politik aktive Unterstützung, damit auf dem Siemens-Campus tatsächlich auch Industrie entwickelt und angesiedelt werden kann.

Zum thematischen Abschluss des Spandauer Gewerkschaftsmarktes knüpfte der DGB Spandau an die bundesweite Aktionswoche unter dem Motto „Bezahlbar ist die halbe Miete“ vom Frühjahr im Rahmen des DGB-Zukunftsdialogs an. „Bleibt Wohnen in Spandau bezahlbar?“ lautete die Frage an den Baustadtrat, Frank Bewig. Im Bürger*innendialog in Wohnzimmeratmosphäre waren Besucher*innen des Gewerkschaftsmarktes eingeladen, mit Herrn Bewig über bezahlbares Wohnen zu diskutieren. Es war eine lebendige Debatte und damit ein würdiger Abschluss eines Spandauer Gewerkschaftsmarkts auf dem Weg zu neuen Ufern.

Die DGB-Region Berlin dankt allen, die aktiv zum Gelingen beigetragen haben.


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